Bevor ich mal wieder etwas über mein Jahr hier schreibe, möchte ich anlässlich des neuen Jahres einen Poetry Slam-Text posten.
Eine gute Freundin hat mich auf ihn aufmerksam gemacht:
(lesen lohnt sich)
"One day baby we'll be old,
oh baby we'll be old and think about all the stories that we could have
told."
- Asaf Avidan "One Day"
Eines Tages, Baby, werden wir alt sein, oh Baby werden wir alt sein und
an all die Geschichten denken, die wir hätten erzählen können.
Ich, ich bin der Meister der Streiche, wenn's um Selbstbetrug geht. Bin
ein Kleinkind vom Feinsten wenn ich vor Aufgaben steh', ein
entschleunigtes Teilchen, kann auf keinsten was reißen, lass mich
begeistern für Leichtsinn, wenn ein anderer ihn lebt. Und ich denke zu
viel nach, ich warte zu viel ab, ich nehm' mir zu viel vor und mach
davon zu wenig, ich halt' mich zu oft zurück, ich zweifel' alles an, ich
wäre gerne klug. Allein das ist ziemlich dämlich.
Ich würde gern' so
vieles sagen, aber bleibe meißtens still, weil wenn ich das alles sagen
würde wär' das viel zu viel. Ich würde gern' so vieles tun. Meine Liste
ist so lang, aber ich werd' eh nie alles schaffen. Also fang' ich gar
nicht an. Stattdessen häng' ich planlos vorm Smartphone, wart' bloß auf
den nächsten Freitag. "ach das mach ich später" ist die Baseline
meines Alltags.
Ich bin so furchtbar faul, wie ein Kieselstein am Meeresgrund.
Ich bin
so furchtbar faul, mein Patronus ist ein Schweinehund. Mein Leben ist
ein Wartezimmer. Niemand ruft mich auf. Mein Dopamin das spar' ich
immer, falls ich's nochmal brauch'.
Eines Tages, Baby, werde ich alt sein, oh Baby werde ich alt sein und an
all die Geschichten denken, die ich hätte erzählen können.
Und du, du murmelst jedes jahr neu an Silvester die wiedergleichen
Vorsätze treu in dein Sektglas und Ende Dezember stellst du fest, dass
du Recht hast, wenn du sagst, dass du sie dieses Jahr schon wieder
vercheckt hast. Dabei sollte 2013 das erste Jahr vom Rest deines Lebens
werden.
Du wolltest abnehmen, früher aufstehen, öfter rasugehen, mal
deine Träume angehen, mal die Tagesschau sehen fürmehr
Smalltalkallgemeinwissen. Aber wie jedes jahr obwohl du nicht damit
gerechnet hast kam dir mal wieder dieser Alltag dazwischen.
Unser Leben ist ein Wartezimmer. Niemand ruft uns auf. Unser Dopamin das
sparen wir immer falls wir's nochmal brauchen. Und wir sind jung und
haben viel Zeit. Warum sollen wir was riskieren?
Wir wollen doch keine
Fehler machen, wollen auch ncihts verlieren und es bleibt so viel zu
tuen. Unsere Listen bleiben lang und so geht Tag für Tag ganz still ins
unbekannte Land und eines Tages, Baby, werden wir alt sein, oh Baby
werden wir alt sein und an all die Geschichten denken, die wir hätten
erzählen können und die Geschichten, die wir dann stattdessen erzählen
werden, traurige Konjunktive sein, wie
"Einmal bin ich fast einen
Marathon gelaufen und hätte fast die Buddenbrooks gelesen. Einmal wäre
ich beinahe bin die Wolken wiedr lila sind noch wach gewesen und fast,
fast hätten wir uns einmal demaskiert und gesehen wir sind die Gleichen
und dann hätten wir un fast gesagt wie viel wir uns bedeuten".
Sowas
werden wir sagen und das wir bloß faul und feige waren, das werden wir
verschweigen und das wir uns heimlich wünschen noch ein bisschen hier zu
bleiben.
Wenn wir dann alt sind und unsere Tage knapp und das wird
sowieso passieren. Dann erst, dann erst werden wir kapieren wir hatten
nie was zu verlieren. Das Leben das wir selber führen wollen, das können
wir selber wählen.
Lass uns doch Geschichten schreiben, die wir später gerne erzählen. Lass
uns nachts lange wach bleiben, aufs höchste Hausdach der Stadt steigen,
lachend und vom Takt frei die aller tollsten Lieder singen. Lass uns
Feste wie Konfetti schmeißen, sehen wie sie zu Boden reisen und die
gefallenen Feste feiern bis die Wolken wieder lila sind und lass ma' an
uns selber glauben. Es ist mir egal ob das verrückt ist und wer genau
guckt sieht, dass Mut auch nur ein Anagramm von Glück ist. Wer immer wir
auch waren, lass uns mal werden wer wir sein wollen. Wir haben schon
viel zu lang gewartet, lass mal Dopamin vergeuden.
"Der Sinn des Lebens ist leben." das hat schon Casper gesagt.
"Let's make the most of the night." das hat schon Kesha gesagt.
Lass uns möglichst viele Fehler machen und lass uns möglichst viel aus
ihnen lernen. Lass uns jetzt schon Gutes sähen, damit wir später gutes
ernten. Lass uns alles tuen, weil wir können und nicht müssen, weil
jetzt sind wir jung und lebendig und das soll ruhig jeder wissen. Unsere
Zeit die geht vorbei und das wird sowieso passieren. Bis dahin sind wir
frei und es gibt nichts zu verlieren. Lass uns uns mal demaskieren und
dann sehen wir sind die Gleichen und dann können wir uns ruhig sagen,
dass wir uns viel bedeuten, denn das Leben, das wir führen wollen können
wir selber wählen.
Also los schreiben wir Geschichten, die wir später gerne erzähl'n.
Eines Tages, Baby, werden wir alt sein, oh Baby werden wir alt sein und
an all die Geschichten denken, die für immer unsere sind
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